Mangelkostenvorschuss und Ersatzvornahme

 

1. Für die Beantwortung der Frage, was an Kosten zur Selbstvornahme erforderlich ist, ist auf den Aufwand und die damit verbundenen Kosten abzustellen, die der Auftraggeber im Zeitpunkt der Mängelbeseitigung als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr aufgrund sachkundiger Beratung aufwenden kann und muss, wobei es sich jedoch um eine vertretbare Maßnahme der Schadensbeseitigung handeln muss. 2. Es besteht keine Pflicht, im Rahmen der Mangelbeseitigung den billigsten Bieter zu beauftragen bzw. eine vorherige Ausschreibung vorzunehmen. Der Auftraggeber kann ein Unternehmen seines Vertrauens beauftragen. 3. Der Auftraggeber kann die Kosten einer nochmaligen Herstellung (Neuherstellung) verlangen, wenn nur auf diese Weise Mängel nachhaltig zu beseitigen sind.

 

OLG Naumburg, Urteil vom 8.3.2018 - 9 U 73/17 BGH, Beschluss vom 15.4.2020 - VII ZR 86/18 (NZB zurückgewiesen)

 

Sachverhalt

Die Klägerin K begehrt von der Beklagten B Ersatzvornahmekosten für die Wiederherrichtung von Feldwegen. B war aufgrund eines Gestattungsvertrags mit K berechtigt, auf Teilen eines gepachteten Grundstücks Windkraftanlagen und ein Umspannwerk zu errichten und zu betreiben. Errichtung und Inbetriebnahme erfolgten ab 2002. Im Gegenzug hatte sich B gegenüber K zur Herstellung von Feldwegen verpflichtet, die dem landwirtschaftlichen Verkehr dienen, aber auch die Erreichbarkeit der Anlagen sicherstellen sollten. B errichtete die Wege, und zwar die meisten in einer Breite von 6 m (4 m Fahrbahn und jeweils 1 m Randstreifen). K rügte die Feldwege als mangelhaft und erhob wegen dieser Mängel Klage gegen B. In diesem Verfahren wurde B verurteilt, an K Vorschuss für die Sanierung der Wege von 102.767,13 € zu zahlen. Diese Zahlung erfolgte. K oblag es, nach Erledigung der Sanierung eine Abrechnung vorzunehmen. K ließ die Feldwege durch den Drittunternehmer D sanieren. D verlangte von K für die Sanierung 170.810,49 €. Da B an K aber nur 102.767,13 € erstattet hat, verlangt K von B nun noch die Erstattung der Differenz von 68.043,36 €. Das Landgericht spricht K nach einer umfänglichen Beweisaufnahme, im Rahmen der u.a. ein Sachverständigengutachten eingeholt wur­de, weitere 45.440,90 € zu und weist die Klage im Übrigen ab. Mit ihrer Berufung will B die vollständige Klageabweisung erreichen. Mit Erfolg.

 

Aus den Gründen

K hat insgesamt einen Anspruch auf Ersatzvornahmekosten in Höhe von 88.704,40 €. Da B bereits einen diese Summe übersteigenden Betrag entrichtet hat, ist der Anspruch von K bereits durch Erfüllung erloschen. K kann nur die objektiv erforderlichen Kosten zur Wiederherrichtung bzw. Neuerstellung der Feldwege beanspruchen. Dafür, was an Kosten zur Selbstvornahme erforderlich ist, ist auf den Aufwand und die damit verbundenen Kosten abzustellen, die der Besteller im Zeitpunkt der Mängelbeseitigung als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr aufgrund sachkundiger Beratung aufwenden kann und muss, wobei es sich jedoch um eine vertretbare Maßnahme der Schadensbeseitigung handeln muss. Es besteht keine Pflicht, im Rahmen der Mangelbeseitigung den billigsten Bieter zu beauftragen bzw. eine vorherige Ausschreibung vorzunehmen. Der Auftraggeber kann ein Unternehmen seines Vertrauens beauftragen. Der Besteller kann die Kosten einer nochmaligen Herstellung (Neuherstellung) verlangen, wenn nur auf diese Weise Mängel nachhaltig zu beseitigen sind. Hieraus folgt zweierlei: K war einerseits nicht verpflichtet, eine Ausschreibung zu veranstalten und den billigsten Bieter zu berücksichtigen. Andererseits entsprachen hier die Kosten der Herrichtung der Wege den Kosten, die für eine Neuerstellung der Wege hätten verlangt werden können. Denn nach den Ausführungen des Gutachters mussten die Wege komplett neu erstellt werden. Die Kosten der Neuerstellung beziehen sich auf eine Wegbreite von 4 m Kronenbreite, d.h. 3 m Fahrbahn und jeweils 0,5 m Randstreifen. Dies ergibt die Auslegung der Formulierung »in ortsüblich guter Bauweise« im Gestattungsvertrag. Die Auslegung hat sich danach zu richten, was als Wille für denjenigen erkennbar geworden ist, für den die Erklärung bestimmt war. Es kommt daher darauf an, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsanschauung verstehen musste. Maßgeblich für die Auslegung ist in erster Linie der Inhalt der auszulegenden Vertragsurkunde. Die Partei muss die in der Urkunde enthaltene Erklärung so gegen sich gelten lassen, wie sie bei Berücksichtigung der für sie erkennbaren Umstände objektiv zu verstehen ist. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass die Fahrbahnbreite nach den Richtlinien für den ländlichen Wegebau in der Regel 3 m beträgt bei einer Kronenbreite von 4 m. Das heißt, die Breite der Seitenstreifen beträgt jeweils 0,5 m. Nach diesen Ausführungen bedeutet eine »gute Bauweise« für einen Feldweg eine Fahrbahnbreite von 3 m und Seitenstreifen von jeweils 0,5 m. Weder aus dem Vortrag der Parteien noch aus den eingeholten Sachverständigengutachten ergibt sich, dass eine größere Breite der Feldwege im Bereich ihres Errichtungsorts ortsüblich gewesen wäre. Anders, als es das Landgericht angenommen hat, spielt auch keine Rolle, dass B die Wege ursprünglich selbst breiter errichtet hat. Denn dies war nach dem Vertragstext überobligatorisch. Außerdem haben im vorliegenden Fall die Instandhaltungsarbeiten den Umfang einer Neuerstellung. Es geht nicht nur um die Reparatur einzelner Schlaglöcher. Stattdessen wurde die gesamte Tragschicht neu erstellt. Insoweit konnte im Rahmen dieser tiefgreifenden Reparatur, die nach ihrem Umfang einer Neuanlage gleichkommt, nicht mehr gefordert werden, als K im Rahmen der ursprünglichen Anlage der Wege vertraglich hätte verlangen können.

 

Anmerkung

Interessant ist, dass sich das OLG bezüglich seiner Vertragsauslegung nicht durch die Rechtskraft des Vorurteils gehindert sah, soweit mit diesem der K ursprünglich 102.767,13 € an Vorschuss zugesprochen war. Das liegt daran, dass der Vorprozess eine Vorschussklage betraf. Die Höhe des Vorschusses ist ausdrücklich nur vorläufiger Natur. Soweit die Ersatzvornahme tatsächlich nur zu geringeren Mängelbeseitigungskosten führt, resultiert daraus ein Rückforderungsanspruch, im vorliegenden Fall zugunsten der B in Höhe von 14.062,73 €. Ihren Rückforderungsanspruch muss B aktiv gegenüber K geltend machen und wird diesen - gegebenenfalls - auch klageweise durchsetzen können.

 

(Quelle: Der Bausachverständige 2020/6)